Zukunft der Zusammenarbeit in Online & Offline Veranstaltungen

CIDPODCAST ZUM NACHLESEN: REIHE CIDPRACTICES, FOLGE #15

Virtuelle Events und Zusammenarbeit sind zur Norm geworden. Wo liegen die Möglichkeiten und Grenzen der digitalen Veranstaltungswelt? Detlev Trapp, Gründer von cidpartners, diskutiert mit Winni Petersmann, CEO der Eventagentur On the Rock, über die Zukunft von Online-Veranstaltungen.

LIVE VS. ONLINE EVENTS: TRENDS UND NACHWIRKUNGEN EINER GLOBALEN VERÄNDERUNG

Detlev Trapp: Bei unseren Kunden nehme ich aktuell wahr, dass immer mehr Veranstaltungen im virtuellen Raum stattfinden. Kannst du Trends erkennen? Geht es immer mehr in den virtuellen Raum oder ist das wieder rückläufig?

Winni Petersmann: Ich glaube, das muss man zweigeteilt betrachten. Während der Pandemie fanden große Events zu 100 % virtuell statt. Inzwischen hat sich dieses Format jedoch zu 99 % in die physische Welt zurückverlagert. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich die Menschen live und vor Ort treffen wollen. Die Sehnsucht nach persönlichen Begegnungen ist unverkennbar, trotzdem sind virtuelle Elemente keineswegs verschwunden.

Tagungen, Konferenzen und Meetings finden wieder vermehrt vor Ort statt, aber die Erfahrungen aus der Pandemie in Bezug auf virtuelle Tools bleiben erhalten. Ein Strategiemeeting kann jetzt durch Livestreaming sowohl Mitarbeiter:innen vor Ort als auch einem globalen Publikum zugänglich gemacht werden. Diese Elemente sind mittlerweile etabliert.

Das andere ist die tägliche Zusammenarbeit in Unternehmen, welche nach wie vor virtuell stattfindet, so wie unser Meeting gerade auch. Dieses Daily Business, also die zehn, zwölf Stunden, die man teilweise tagsüber in einem virtuellen Meeting sitzt, ist eigentlich erst post-Pandemie entstanden. Dafür gibt es viele Tools, mit welchen man gemeinsam arbeiten kann, wie mit einem MIRO-Board oder in Kleingruppen in Zoom oder Teams.

DIE KRAFT PERSÖNLICHER BEGEGNUNGEN: VIRTUELLE PLATTFORMEN GEGENÜBER LIVE-ERFAHRUNGEN

Winni Petersmann: Wir sind mittlerweile auch eine Organisation, die sich stark verteilt hat, nicht nur in Deutschland, sondern auch in ein paar Standorten in Europa. Wir treffen uns jeden Morgen um neun und machen erst mal einen Day-In und gucken mit einem Projektmanagement Tool gemeinsam über unsere Projekte. Wenn es gut angeleitet ist, sind online viele Dinge möglich.

Detlev Trapp: Wenn es um Großgruppen-Veranstaltungen geht, bei denen auch ein Stück weit ein Erlebnischarakter mit dabei sein soll, dann geht, wie du auch sagst, der Trend schon wieder sehr stark in Richtung Präsenzveranstaltung. Wir sehen Kosteneffizienz, Erreichbarkeit von Leuten und Flexibilität als relevante Themen, die für virtuelle Veranstaltungen sprechen. Was sind denn aus deiner Sicht die Punkte, die unbedingt für Präsenz sprechen?

Winni Petersmann: Es gibt einen Spruch, dass nur 70 % der menschlichen Interaktion wahrgenommen werden. Das haben wir, glaube ich, alle erlebt: Man bekommt an einem Bildschirm schon das eine oder andere mit, aber das echte Erleben des Gegenübers ist in der Präsenz einfach noch mal was anderes. Gerade wenn ich an Großgruppenerlebnisse, wie Konzerte, denke. Es ist eine ganz andere Geschichte in einem Saal oder auf einem Festivalgelände zu stehen und gemeinsam mit den Menschen, mit denen man da zusammen ist, etwas zu erleben. Da entsteht eine Dynamik, die sich über eine Bildschirmteilnahme nicht so realisieren lässt.

Menschen vor Ort zu treffen und ihnen in die Augen zu gucken ist einfach anders. Da entstehen Kontakte, die über eine virtuelle Plattform so nicht entstehen können.

VR & AR IN BILDUNG UND EVENTS: IMMERSIVE ERLEBNISSE UND IHRE AUSWIRKUNGEN AUF DIE INTERAKTION

Detlev Trapp: Welche Erfahrungen habt Ihr gemacht mit VR oder Augmented Reality Anwendungen? Es gibt durchaus Studien an der Stelle, die gerade den Lerneffekt in solchen virtuellen Umgebungen als sehr intensiv beschreiben.

Winni Petersmann: Absolut. Wir haben auch im Rahmen unserer Startup-Veranstaltungen beispielsweise ein Unternehmen kennengelernt, das im Bereich der Bildung in Afrika VR einsetzt. Dabei steht eine Lehrperson beispielsweise neben einem Modell eines Herzens und kann den Schülerinnen und Schülern in Remote-Umgebungen Dinge erklären. Das ist wirklich großartig.

In der zwischenmenschlichen Interaktion ist es allerdings oft schwierig. Sobald man die VR-Brille trägt, fühlt man sich irgendwie entkoppelt von der Person, mit der man eigentlich interagieren möchte, auch wenn man möglicherweise einen Avatar sieht. Aber wenn man VR als immersives Erlebnis betrachtet, was es ja ist, dann kann man dieses Gefühl, dass die digitale und die physische Welt verschmelzen, auch in einen Raum übertragen. Es gibt faszinierende Beispiele, bei denen der Inhalt auf einer LED-Wand mit dem Raum verschmilzt und die Menschen nicht mehr genau unterscheiden können, was real und was virtuell ist. Dadurch kann man emotionale Reaktionen stark beeinflussen und die Menschen vom passivem Zuschauen zu einem aktiven, immersiven Erlebnis führen. Dann wird aus einem „Ich schaue mir jetzt eine Präsentation an, gucke Fernsehen“ ein „Wow, das nimmt mich mit“.

Aus einem „Ich schaue mir jetzt eine Präsentation an, gucke Fernsehen“ wird ein „Wow, das nimmt mich mit“

DIGITALE INNOVATIONEN IN DER VERANSTALTUNGSBRANCHE: VOM EXERGAMING BIS ZUM 'METAVERSE'/span>

Winni Petersmann: Es gibt den Begriff des "Exergaming", bei dem Spiele mich dazu bringen, physische Aktionen auszuführen. Ein gutes Beispiel ist unsere Kletterwand, die gleichzeitig ein Videospiel ist. Wenn sie bei einer Veranstaltung in Betrieb ist, fallen die Kinder oft nachts um zwölf Uhr herunter und schlafen auf der Matte davor ein, weil sie gar nicht gemerkt haben, dass sie die ganze Zeit digital animiert wurden. Die Einflüsse von Elektronik und digitalen Medien sind extrem stark.

Dann kommen wir in den Bereich der Augmented oder Mixed Reality, wo ich beispielsweise bei einer Veranstaltung zusätzliche Inhalte auf meinem Smartphone habe und in den Raum schaue. Wir können als Team auch gemeinsam ein digitales Objekt im Raum erschaffen, welches ich mir auf meinem Smartphone von allen Seiten anschauen kann. Außerdem können durch AR zusätzliche Informationen vermittelt werden, wenn ich beispielsweise durch eine Ausstellung oder eine Stadt gehe und einem grünen Pfad folge, um zu einem Nachhaltigkeitsevent zu gelangen

Im normalen Geschäftsbetrieb von Organisationen wird dies bereits viel genutzt. So kann z. B. ein Techniker, der vor einem Schaltkasten steht, von einem Experten, der an einem anderen Ort sitzt, durch seine Hololens angeleitet werden, um genau zu wissen, was er tun muss. Dies sind tatsächliche Anwendungsfälle, die bereits existieren. Aber auch für Events ist das aufregend, da es eine zusätzliche Ebene bietet, mit der ich spielen und Erlebnisse schaffen kann.

Detlev Trapp: In den Themen, die wir begleiten, geht es vor allem um das Thema Veränderung, Transformation und Verhaltensveränderungen. Menschen auch zu erreichen, mitzunehmen in die Zukunft, ein Stück weit Dinge loszulassen, die bisher ihre Erfolgsmuster waren und Neues zu lernen. Inwiefern siehst du da die Verschmelzung zwischen Realität und virtuellen Möglichkeiten als einen guten Weg, das zu unterstützen?

Winni Petersmann: Ich glaube, das Spannende ist, wenn ich mit einer, ich nenne es mal konservativen, Gruppe auf einer Veranstaltung das Erlebnis gestalte, was es für einen Mehrwert hat, die Dinge miteinander zu verbinden. Also sprich, eine virtuelle Konferenz auf eine coole Art zu erleben. Nicht nur eine Zoom-Konferenz, die ist irgendwann langweilig. Viele von den Technologien zielen ja auch auf ein besonderes Erlebnis ab.

Wir hatten einmal eine Tagung, bei der wir eine Art 'Speed Dating' durchgeführt haben, das wir 'Chatroulette' genannt haben. Dabei wurden zufällig Menschen miteinander verbunden. Es waren 1000 Teilnehmende, und über dieses 'Chatroulette' haben sich Menschen getroffen, die drei Minuten Zeit hatten miteinander zu sprechen. In den Kommentaren zur Veranstaltung im Chat hieß es im Anschluss: „Wow, diese Veranstaltung war fast genauso cool wie das physische Treffen."

Wenn ich mit 1000 Leuten in einem dunklen Raum sitze, lerne ich nicht so viele Menschen kennen wie in einer halben Stunde im 'Chatroulette'. Die Teilnehmenden hatten die Möglichkeit, 15 neue Kontakte zu knüpfen und im Zweifelsfall ihre Kontaktdaten auszutauschen.

Das gemeinsame Erleben dieser orchestrierten Interaktionen kann helfen, die Angst vor Technologie abzubauen. Ich habe einen Kunden, der sagt, er müsse seine Führungskräfte in eine vollständig virtuelle Umgebung mitnehmen, da in seiner Organisation immer noch eine gewisse Digitalitätsfeindlichkeit herrscht. Daher führen wir sie in eine Art 'Metaverse'-Umgebung, in der sie mit Avataren in virtuellen Besprechungsräumen interagieren. Diese Umgebung simuliert zwar nur die Realität, aber die Erfahrung ist so intensiv, dass sie einen ersten Schritt auslöst und die Führungskräfte sagen: "Wow, das war cool, das könnte ich vielleicht in meine Teams übertragen." Wenn dies dann mit den Tools kombiniert wird, die sie in ihrem Arbeitsumfeld nutzen, seien es Miroboards oder Kanban-Systeme, kann dies auch die virtuelle Zusammenarbeit ermöglichen. Eine virtuelle Veranstaltung, bei der dies exemplarisch durchgespielt wird, kann dabei helfen.

DIGITALE FITNESS UND GENERATIONEN: WIE ZUKUNFTSTRENDS DIE BALANCE ZWISCHEN VIRTUALITÄT UND PRÄSENZ BEEINFLUSSEN

Detlev Trapp: Wir haben da ähnliche Erfahrungen gemacht. Was ich spannend finde, ist zu beobachten, dass es gerade im VR-Bereich große Unterschiede gibt in Bezug auf die digitale Fitness der jeweiligen Teilnehmenden. Es gibt also einen Riesenunterschied, ob ich in Präsenz oder im virtuellen Raum arbeite, wie schnell die Personen arbeitsfähig sind.

Winni Petersmann: Das kann ich zu 100 % bestätigen. Tatsächlich ist dies ein Generationenthema. Die Menschen, die wir teilweise bei unseren Veranstaltungen im Topmanagement haben, sind über 50, um es einfach auszudrücken.

Detlev Trapp: Also keine Gamer.

Winni Petersmann: Genau, es sind eben keine Gamer, sondern Leute, die im Zweifelsfall Gamer als Kunden haben, aber gar nicht verstehen, was diese Community überhaupt macht.

Und wenn ich dann jemanden habe, der damit aufgewachsen ist, besteht ein ganz anderer Zugang zu den Technologien. Das sehe ich sogar bei meinen eigenen Kindern: Sie können mein Smartphone schneller bedienen als ich. Da schließe ich mich selbst nicht aus. Auch wenn ich mich als technikoffen und neugierig beschreiben würde, bin ich dennoch kein Digital Native.

Detlev Trapp: Was bedeutet das für die Zukunft, dass der Trend perspektivisch wieder mehr in Richtung Virtualität gehen könnte, weil die Zielgruppen an der Stelle affiner sind?

Winni Petersmann: Also das ist meine persönliche Meinung: Die Zielgruppen sind immer noch Menschen, und der Mensch hat etwas in sich, nennen wir es Urinstinkt oder Urtrieb, sich zu treffen. Der Mensch lebt vom direkten zwischenmenschlichen Kontakt, und das passiert eigentlich in der Interaktion vor Ort. Wenn man sich die großen Gaming-Events ansieht, wie die Gamescom, wo Tausende von Menschen stundenlang in Schlangen stehen, um ihren Lieblings-Influencer, den sie jeden Tag zehnmal online sehen, persönlich zu treffen und ein Foto mit ihm zu machen, dann zeigt das, dass diese persönliche Begegnung immer noch einen hohen Stellenwert hat.

Alles, was Networking, Kultur und ein tiefes Erlebnis betreffen, lässt sich durch digitale Formate nicht vollständig ersetzen

Ich glaube, dass es uns in der Arbeit an vielen Stellen erleichtern wird, Inhalte zugänglich zu machen, also auch über Raumgrenzen hinweg zusammenzuarbeiten, im täglichen Geschäft oder auch in der Unternehmensentwicklung. Ich glaube, die Kids sind sowieso alle in irgendwelchen Chatrooms, wie Discord, unterwegs. Sie kommunizieren sogar vor Ort miteinander über ihre Smartphones.

Andererseits, und das sage ich jetzt nicht nur, weil ich ein Event-Mensch bin, lässt sich die unmittelbare menschliche Interaktion vor Ort nicht so einfach ersetzen.

Ich könnte mir jedes Konzert der Welt auch im Livestream anschauen. Aber trotzdem geben die Leute viel Geld aus und haben es auf ihrer Bucketlist, einmal den Star oder die Künstlerin, die sie ganz besonders toll finden, live zu sehen. Dann stehe ich da, höre dem zu, kann jedes Lied mitsingen und kann die Atmosphäre spüren. Ich glaube, das steckt in uns Menschen drin und das wird auch nicht verschwinden.

Detlev Trapp: Wird es deiner Meinung nach in Zukunft weiterhin auf Präsenz oder die Kombination von Präsenz mit gezielten virtuellen Elementen hinauslaufen?

Winni Petersmann: Das glaube ich schon. Wie gesagt, im Arbeitsumfeld, was Kollaboration angeht, haben wir mittlerweile den Standard einer virtuellen Zusammenarbeit erreicht, würde ich sagen. Manchmal setzen wir uns nicht einmal in den Meetingraum, weil wir zu faul sind, aus dem Büro rauszugehen, oder weil vielleicht auch die Verbindungsqualität mit den zugeschalteten Personen besser ist. Aber alles, was Networking, Kultur und ein tiefes Erlebnis betreffen, lässt sich durch digitale Formate nicht vollständig ersetzen.

Detlev Trapp: Winni, Herzlichen Dank für den spannenden Talk mit dir und bis bald.

Winni Petersmann: Ja, hat Spaß gemacht, Detlev. Bis dann. Tschau.

 

Shownotes

In dieser Folge von cidPodcast sprechen Detlev Trapp und Winni Petersmann über die aktuellen Trends und Entwicklungen im Bereich virtueller und physischer Veranstaltungen. Trotz der Fortschritte in der virtuellen Zusammenarbeit und Technologie bleiben die Präsenz und die Verschmelzung von Präsenz mit virtuellen Elementen in bestimmten Kontexten unersetzlich.

Weitere Infos:

Hier findest Du weitere cidPodcast-Ausgaben: https://cidpartners.de/inspiration/podcast.html

Hast Du Fragen oder Themenwünsche für den nächsten cidPodcast? Dann schreib uns bitte eine Mail: info@cidpartners.de