Die zentrale Rolle der Führungskräfte in M&A-Prozessen

Die Rolle der Führungskräfte in M&A-Prozessen ist entscheidend für den erfolgreichen Unternehmenszusammenschluss. Eine klare Vision, der Umgang mit Unsicherheit und Widerstand sowie Flexibilität im Führungshandeln sind dabei entscheidende Faktoren. Studien zeigen, dass Führung, Kommunikation und Change-Management einen signifikanten Einfluss auf den Integrationserfolg haben.

Die Herausforderungen von Mergers and Acquisitions (M&A) für Führungskräfte

Unter den verschiedenen Arten von Change- und Transformationsprozessen stellen Mergers and Acquisitions (M&A) aufgrund Ihrer Komplexität besonders hohe Anforderungen an Führungskräfte. Sie bringen fast immer tiefgreifende Veränderungen auf struktureller, kultureller und strategischer Ebene in den Organisationen mit sich. Bestehende Bezugssysteme wie Regeln und Rollen werden infrage gestellt oder aufgelöst, ohne dass Neue bereits definiert, geschweige denn verankert wären.

Damit eine erfolgreiche Integration und Zusammenführung von zwei oder mehreren Unternehmen gelingen kann, ist die Fähigkeit der Führungskräfte, den Wandel zu gestalten, eine klare Vision zu vermitteln, die Mitarbeitenden mitzunehmen und mit deren Ängsten, Sorgen und Frustrationen gut umzugehen, besonders wichtig.

Viele Studien und Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass M&A-Projekte oft nicht die angestrebten Ziele erreichen oder gar scheitern. Führung, Kommunikation und Change-Management sind Erfolgsfaktoren, die in diesem Kontext immer wieder genannt werden.

Entscheidend für den Erfolg von Integrationsprozessen ist es, über den Prozess Vertrauen aufzubauen und so einen „Container“ zu schaffen, der ausreichend Sicherheit schafft, um die Organisationen über die Post-Merger-Phase zu tragen. Ziel muss es dabei sein, möglichst bald wieder zu neuen Bezugssystemen und einer neuen Ordnung zu kommen. In der Gestaltung der Balance zwischen der inhaltlich-strategischen Umsetzung der Seite der Integration und der sozialen Seite der Integration liegt eine der besonderen Herausforderungen für die Führungskräfte.

In diesem Artikel wollen wir exemplarisch auf einige Erfolgskriterien und Instrumente eingehen, die sich in unserer Praxis rund um die Begleitung von Führungskräften in Integrationsprozessen bewährt haben.

Umgang mit Unsicherheit in Integrationsprozessen - Der Circle of Influence als Instrument der Selbstreflexion

Unsicherheiten über die persönliche Zukunft gehen in vielen Integrationsprozessen für Führungskräfte mit der Aufgabe einher, genau diese Unsicherheiten bei den Mitarbeitenden aufzufangen. Mit Blick auf die eigene Rolle ist die Auseinandersetzung mit den individuellen Handlungsmöglichkeiten und der Frage, welche Themen man selbst angehen kann, immer ein erster guter Schritt. Ein einfaches Instrument für die Selbstreflexion und Sortierung dieser Themen ist der Circle of Influence, der als Landkarte für die Sortierung dienen kann und einfach in der Anwendung ist.

Erfolgreiche Führungskommunikation in Integrationsprozessen - Die Bedeutung einer klaren Change Story und des SCARF-Modells

Mit Blick auf die Kommunikation in Integrationsprozessen gelten im Kern auch die Erfolgsfaktoren, die für andere Transformationsprozesse wichtig sind. Es geht darum, den Mitarbeitenden so früh wie möglich Orientierung zu geben und dafür zu sorgen, dass sie regelmäßig auf dem Laufenden bleiben.

Mit Blick auf die Rahmensetzung steht die Vermittlung des Sinns und Zwecks der Transformation an erster Stelle. Eine klare Change Story, die erläutert, was hinter der Integration steckt, warum man sich dafür entschieden hat, was die angestrebten Ziele sind und wie der Prozess gestaltet werden soll, kann immer wieder im Prozess als Basis für die Führungskräftekommunikation dienen. Die regelmäßige Wiederholung der Kernbotschaften hilft, sich den Rahmen regelmäßig ins Gedächtnis zu rufen. Kommunikation bedeutet dabei immer auch die Nutzung von Dialogformaten.

Viele Führungskräfte schrecken davor zurück, etwas zu kommunizieren, wenn es keine echten Prozessergebnisse zu vermitteln gibt oder aus Sorge keine konkreten Antworten zu geben

Viele Führungskräfte schrecken davor zurück, etwas zu kommunizieren, wenn es keine echten Prozessergebnisse zu vermitteln gibt oder aus Sorge keine konkreten Antworten geben zu können. Nicht zu kommunizieren ist dabei keine Lösung. Hier gilt das Prinzip, dass die Vermittlung von Prozesssicherheit mindestens genauso wichtig ist. Den Mitarbeitenden Klarheit über die nächsten Schritte im Prozess zu informieren nimmt Unsicherheit und schafft genau den „Container“, den es in Übergangssituationen braucht.

Ein Ansatz, der auch für die Gestaltung wirkungsvoller Kommunikation genutzt werden kann, ist das sogenannte SCARF-Modell. Der Ansatz basiert auf neurowissenschaftlichen Erkenntnissen zu Veränderungen. Er beschreibt, worauf man achten muss, um die Aktivierung von Ängsten und Stress bei Mitarbeitenden zu verhindern und was zu einem Klima beiträgt, das Stabilität und Engagement fördert. Wir beschreiben das Modell an anderer Stelle in diesem Newsletter.

Umgang mit Widerständen in M&A-Prozessen - Die Rolle der psychologischen Kontrakte und externer Change-Berater:innen

Widerstände sind in Integrationsprozessen normal und Teil der Veränderung. Sich als Führungskraft immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, dass Widerstand dazugehört, wenn man sich aus bekannten Mustern lösen soll, schafft oft schon eine Erweiterung mit Blick auf das eigene Handlungsrepertoire und die Reaktionsmuster. Das Loslassen der Erfolgsmuster, die einen dorthin gebracht haben, wo man in der jeweiligen Situation steht, ist nicht leicht.

Oft sind es auch die Sorge vor dem Verlust der eigenen beruflichen Identität oder vor neuen fachlichen Anforderungen oder kulturellen Spannungen, die hinter Widerständen stecken. Klarheit darüber zu schaffen, was hinter diesen Widerständen steckt, sie ernst zu nehmen und nachzufragen, ist insofern ein wichtiger Schritt.

Um Lagerbildungen zu vermeiden hilft es, Vertreter:innen der unterschiedlichen Organisationen frühzeitig z.B. über Fokusgruppen ins Gespräch miteinander zu bringen, da oft dann schon erkannt wird, dass man viele Sorgen teilt und Vorurteile miteinander aufgelöst werden können. Dabei hilft auch die Einbindung von externen Change-Berater:innen, um einen neutraleren Rahmen zu schaffen.

Aus Sicht vieler Mitarbeitenden kommt es in Veränderungsprozessen besonders häufig zur Verletzung psychologischer Kontrakte, also dazu, dass die Organisation die ihr zugeschriebenen Erwartungen oder Verpflichtungen enttäuscht

Eine wichtige Perspektive auf Widerstände in Veränderungsprozessen basiert auf der Theorie psychologischer Kontrakte in Organisationen. Das Konzept umfasst die erlebten Verpflichtungen, die Mitarbeitende ihrer Organisation zuschreiben. Aus Sicht vieler Mitarbeitenden kommt es in Veränderungsprozessen besonders häufig zur Verletzung psychologischer Kontrakte, also dazu, dass die Organisation die ihr zugeschriebenen Erwartungen oder Verpflichtungen enttäuscht. Solche Verletzungen können starke Treiber für Unzufriedenheit, verminderte Bindung, Widerstand und Rückzug sein. In M&A ist die Verletzung psychologischer Kontrakte besonders virulent. Sie wird insbesondere – aber nicht ausschließlich - von den Mitarbeitenden des ‚schwächeren‘ Unternehmens erlebt. Gern stellen wir Ihnen ein Whitepaper „Führen als gestalten psychologischer Kontrakte“ von Marc Solga zur Verfügung, das sich intensiv mit den Reaktionen auf Kontraktverletzungen auseinandersetzt und einen umfangreichen Werkzeugkasten dazu präsentiert.

Flexibilität im Führungshandeln - Das Wechselspiel zwischen Binden, Steuern und Erneuern im 3x2 Leadership Framework

Abhängig vom Ziel der Integration geht es oft um eine Mischung aus Wachstumsfantasien und Synergieeffekten, die sich die Unternehmen von dem Zusammengehen versprechen. Diese Dimensionen gehen einher mit unterschiedlichen und zum Teil widersprüchlichen Logiken mit Blick auf die Steuerungsanforderungen der Transformation. Für Wachstum und Integration braucht es vor allem die Einbeziehung, während die strukturellen Veränderungen oft eine klare Top-Down-Steuerung erfordern. Die unterschiedlichen Steuerungsanforderungen bedeuten für die Führungspraxis, dass ein kontinuierliches, oft situatives Wechseln zwischen den Dimensionen von Binden, Steuern und Erneuern (siehe dazu „3x2 Leadership Framework“, ein Concepts-Whitepaper meines Kollegen Marc Solga) im Führungshandeln erforderlich ist. Das ist herausfordernd und erfordert ein hohes Maß an Bewusstheit. Frameworks und Landkarten wie das 3x2 Leadership Framework unterstützen die Selbstreflexion und Verortung mit Blick auf das eigene Führungshandeln.

Aufgrund der hohen Komplexität und Dynamik in Integrationsprozessen kann auch die Vernetzung und der regelmäßige Austausch mit Kolleg:innen weiterhelfen, um auf diese Weise die Selbstreflexion zu unterstützen und etwa über kollegiale Fallberatung zusätzliche Lösungsansätze zu entwickeln.

Wertschätzende Haltung in Integrationsprozessen - Respekt, Offenheit und Lernbereitschaft für eine erfolgreiche Integration

Das Agieren von Führungskräften wird in Integrationsprozessen besonders scharf beobachtet. Dabei steht vor allem der Umgang zwischen den Führungskräften der unterschiedlichen Organisationen im Fokus der Mitarbeitenden. Wie begegnet man sich? Wie ist der Umgang? Was verrät die Körpersprache? Wie kongruent sind die Botschaften?

In vielen Prozessen sorgt insbesondere eine mangelnde Wertschätzung für die jeweils andere Kultur oder die fehlende Bereitschaft erst einmal unvoreingenommen, respektvoll, auf Augenhöhe, mit Interesse und mit einem Vertrauensvorschuss aufeinander zuzugehen, früh für Sand im Getriebe der Integration.

Das Vorleben von Respekt vor der Unterschiedlichkeit der anderen Kultur und Herangehensweisen und die Offenheit, Neues zu lernen beginnt bei jeder einzelnen Führungskraft und setzt voraus, mit einem Mindset unterwegs zu sein, dass nicht auf das eigene „Wissen“ baut, sondern auf das „Lernen“. Die Begegnung auf Augenhöhe gelingt leichter, wenn man sich mit einer Haltung, die von Neugier und Offenheit geprägt ist, anderen begegnet. Als „Wissender“ neigt man schnell dazu, die eigene Perspektive als die einzig richtige zu betrachten und schnell in Bewertungs- und Abwertungsmuster zu rutschen. Unterschiedliche Perspektiven einnehmen zu können und auf den Gedanken anderer aufzubauen, indem man „sowohl als auch“ oder „ja, und“ statt „ja, aber“ nutzt, unterstützen dabei, sich offen und auf Augenhöhe zu begegnen.

Der Erfolg von Integrationsprozessen steht und fällt auch mit dem Wirken der Führungskräfte. Speziell das mittlere Management ist in vielen Organisationen die Gruppe, die als erster Referenzpunkt für die Mitarbeitenden gilt. Ist die direkte Führungskraft gut vorbereitet, eingebunden und informiert, dann trägt das in erheblichem Maße dazu bei, dass sie ihrerseits den Mitarbeitenden Orientierung geben kann und so zum Erfolg der Integration beiträgt.